Wenn ich für jedes Mal, wenn mich jemand gefragt hat, wie lange die Restaurierung noch dauern würde oder wann denn der Traktor wieder fahren würde, ein paar Euro bekommen hätte, wären die Restaurierungskosten des Steyr 288 letztendlich wahrscheinlich vollständig beglichen gewesen! Am Beginn der Restaurierung habe ich mich noch dazu hinreißen lassen, diese Fragen mit "ein paar Jahre" oder "etwas wird es schon noch dauern" zu beantworten. Tatsächlich ist es aber eigentlich unmöglich auf solche Fragen seriös zu antworten.
Es ist immer irgendetwas (Unvorhergesehens)
Um dies zu verdeutlichen, möchte ich die Arbeiten an der Vorderachse als Beispiel anführen:
Der aufmerksame Leser dieser Seiten weiß, dass ich die Vorderachse als ziemlich letztes größers Projekt begonnen habe. Danach werden/wurden eigentlich "nur" noch Arbeiten, die sich mit dem Begriff "Zusammenbau" sublimieren lassen durchgeführt. In anderen Worten könnte man meinen, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Erfahrungen sammeln konnte.
Mir war schon vor dem Zerlegen der Achse klar, dass sicherlich alle verbauten Buchsen erneuert werden müssen, damit die Vorderachse irgendwann wieder ordentlich, also vorallem spielfrei ihren Dienst tun kann. Die nötigen Arbeiten habe ich daher mit Zerlegen der kompletten Achse, Entfernen der sechs (6) Buchsen, neu lackieren der Teile und Zusammenbau aller Teile grob veranschlagt.
Wie kam es tatsächlich?
Schon beim Zerlegen kam es zu unerwarteten Verzögerungen. Hauptsächlich weil die Buchsen der Achsschenkeln und des Mittelachsbolzens/Herzbolzen sich nicht austreiben ließen. Nachdem alle Versuchen, diese mit Rohr und Hammer zu entfernen gescheitert waren, brauchte es zumindest zwei Wochen, bis ich die bestellten Auszieher geliefert bekommen habe. Auch mit dem beiliegenden Gleithammer konnten die Buchsen nicht entfernt werden. Für die Überlegungen und Umsetzung der improvisierten, hydraulischen Presse vergingen nochmals mehrere Tage.
Eigentlich dachte ich, dass alle nötigen Teile leicht zu beschaffen wären. Den Herzbolzen erwarb ich von Max Redl. Nachdem der Bolzen geliefert wurde, habe ich festgestellt, dass dieser doch deutliche Abweichungen zum alten Mittelachsbolzen aufwies und daher selbst neu zu fertigen war. Auch wenn es sich dabei nicht um ein besonders kompliziertes Bauteil handelt, bedeutet es doch, eine ordentliche Maßzeichnung anzufertigen, Material zu besorgen, den Herzbolzen entsprechend zu drehen und diesen zum Abschluss auch noch zu härten.
Ähnlich stellte sich die Situation bei den Scheiben der Achsschenkel dar. Nach mehrmaligen Nachmessen und einiges an mail-Verkehr mit der Firma Deimel KFZ, war klar, dass sich die Scheiben offensichtlich während des Produktionszeitraums zumindest einmal geändert haben und die von der Firma angebotenen Bauteile eben nicht die sind, die ich für meinen Traktor benötige. Die für meinen Steyr 288 erforderlichen Scheiben konnte ich leider trotz intensiver Recherche nirgends mehr auftreiben. Also mussten auch diese sechs (6) Scheiben, wie in diesem Artikel beschrieben, selbst neu gefertigt werden. Bei den Scheiben kam erschwerend hinzu, dass je eine auf beiden Seiten radial verlaufende Schmiernuten aufweist und die Scheiben nicht nur über eine perfekte Parallelität der Auflageflächen, sondern auch über eine perfekt glatte Oberfläche verfügen müssen. Neben den Arbeiten an der Drehmaschine kommen also noch Fräsmaschine und Topfschleifmaschine zum Einsatz. Wieder viele Tage/Wochen an Verzögerung.
Bei den Keilbolzen ist mir schon beim Bestellen aufgefallen, dass die neuen Bolzen deutlich länger sind, als die alten. Um die Bolzen besser nachbearbeiten zu können, habe ich daher nicht gehärtete Bolzen bestellt. Nachdem ich die Keilbolzen geliefert bekommen habe, habe ich zusätzlich festgestellt, dass auch die Keilschräge viel steiler ist, als beim originalen Bolzen. Die Bolzen mussten also nicht nur korrekt abgelängt werden, sondern auch die Keilschräge mit der Feile angepasst werden. Also auch hier wieder eine (kleine) Verzögerung.
Wie im Artikel "Komponenten der Vorderachse aufarbeiten und neu fertigen" beschrieben, gab es auch bei den neuen Büchsen Probleme. Um die Problematik der Innendurchmesser von Achse und Büchsen zu lösen, wurden drei (3) verstellbare Handreibalen angekauft. Wieder 10 Tage Zwangspause. Um die Reibalen präzise auf den nötigen Durchmesser einstellen zu können wurden nocht entsprechende Passhülsen gefertigt. Nach dem ersten Versuch wurde klar, dass eine der oberen Stellschrauben der Reibale einen zu großen Durchmesser hat, um noch in das verjüngte Stück der Achse zu passen. Es musste also noch eine neue Einstellschraube mit einem verringerten Durchmesser gefertigt werden, wodurch es naturgemäß wieder zu Verzögerung kam.
Wie sich herausstellte, waren die Büchsen für den Herzbolzen zu lang. Es musste also eine Buchse wieder entfernt werden und dann im Anschluss (beide) entsprechend auf der Drehmaschine gekürzt werden.
Erst beim Einsetzen des ersten Achsschenkels habe ich bemerkt, dass oberer und unterer Dichtring nicht ident sind - im Ersatzteileverzeichnis muss man hier genau auf die Indizes achten. Der obere Dichtring ist deutlich kleiner, als der untere. Wieder drei Tage Pause, bis die richtigen Dichtringe geliefert wurden.
Nach einem ersten, testweisen Zusammenbau der Radnabe habe ich mich dann auch noch dazu entschieden, die Kegelrollenlager gegen neue zu ersetzen. Nach ordentlicher Reinigung und neuerlicher Schmierung der alten Lager musste ich doch deutliche Abnutzungserscheinungen feststellen. Wieder mehrere Tage Stillstand, bis neue Lager von einem halbwegs namhaften Hersteller besorgt waren.
Beim Zusammenbau von Vorderachse und Lagerbock musste schlussendlich noch der Spalt zwischen den beiden gemessen werden, um entweder entsprechende Einstellscheiben zu besorgen oder eine passende Einstellscheibe selbst zu fertigen.
Ich glaube, man kann gut nachvollziehen, dass es im Vorfeld völlig unmöglich gewesen wäre, die notwendigen Arbeiten nur annähernd abzuschätzen, geschweige denn, einen zeitlichen Rahmen dafür zu veranschlagen.